Medien- und Politikinfo 12.07.2020

Geheime Absprachen zwischen Verkehrsministerium und Flughafen

Seit Jahren arbeiten der Flughafen Düsseldorf, die Deutsche Flugsicherung und das Verkehrsministerium des Landes NRW intensiv daran, die Kapazität des Flughafens über das aktuell mögliche hinaus auszuweiten. Das belegt ein Gutachten der Flugsicherung aus dem Jahre 2011. Und das Ministerium „berät“ den Flughafen dabei, wie eine Akteneinsicht der Bürger gegen Fluglärm zu Tage brachte.

Die Deutsche Flugsicherung konstatiert in ihrem neuen Gutachten

13 Fazit
Die angestrebte Flexibilisierung der Regeln für die Mitbenutzung der Parallelbahn würde sowohl im heutigen Umfeld wie auch in der angestrebten neuen Betriebsgenehmigung eine deutliche Hilfe bei der Reaktion auf ungeplante Nachfrageveränderungen bzw. untertägige Verspätungen darstellen. Eine Eckwerterhöhung ohne flexiblen Einsatz der Zweibahnzeiten bei gleichzeitiger Reduzierung oder zumindest nicht Steigerung der abendlichen Verspätungslandungen erscheint wenig realistisch.

(siehe Gutachten zu den Auswirkungen einer möglichen Flexibilisierung der Bahnnutzungam Flughafen Düsseldorf S. 24)

Warum braucht es die Flexibilisierung der Nutzungszeiten beider Startbahnen überhaupt? Weil die Kapazitäten schon heute überlastet sind, wie u.a. der Betriebsgenehmigung von 2005 zu entnehmen ist:

Für die Feststellung eines realistischen Bewegungsrahmens für die Hauptstart- und -landebahn wird daher allein auf die unveränderten analytisch-mathematischen Berechnungsverfahren zur Praktischen Kapazität zurückgegriffen. Diese Berechnungen ergeben eine Praktische stündliche Kapazität der Südbahn 23L/05R von 37 bei einen 50/50 Verhältnis von An- und Abflügen und einer durchschnittlichen Verzögerungsrate von 8 Minuten.

Dieses Ergebnis, welches nach Überzeugung der Genehmigungsbehörde sachgerecht und schlüssig ermittelt wurde, wird im Wesentlichen auch durch frühere Kapazitätsermittlungen gestützt. So kommt z. B. das der Betriebsänderung im Jahre 2000 zugrunde liegende Gutachten von Prof. Mensen auf eine Praktische stündliche Kapazität von 36 Bewegungen bei nahezu gleichen Parametern.

(siehe Betriebsgenehmigung für den Flughafen Düsseldorf vom 9.11.2005, S. 69

Dies wird untermauert durch die Analysen der Bürger gegen Fluglärm, die über 10 Jahre alle Flugbeweg-ungen am Flughafen Düsseldorf analysiert haben. Danach sind 37 FB pro Stunde das Maximum, genehmigt sind indes 43 FB/h auf einer Start- und Landebahn. Die Verspätungen explodieren also schon heute:

Dipl. Statistiker Georg Regniet hat 6 Jahre mit über 1 Mio Starts u. Landungen untersucht und die mit Pfeilen markierten Verspätungsgrenzen 37  FB/h u. 51 FB/h ermittelt. Basis: Rollzeit + 8 Minuten (üblich sind eigentlich +4 Minuten!)

Die Analyse wurde 2020 aktualisiert, die Grenze auf 23 Minuten erhöht. Insgesamt bestätigen die Analysen von 10 Jahren mit über 2 Mio FB, dass bei 36/37 FB die Kapazitätsgrenze der Hauptbahn, bei 52 FB/h die des Bahnsystems erreicht ist. Will man mehr, explodieren die Verspätungen. Niemandem ist damit geholfen, Passagieren nicht, Airlines nicht und Anwohnern ebenfalls nicht.

Das alles ist nicht neu und auch dem Verkehrsministerium bekannt, nachzulesen u.a. in der zitierten Genehmigung von 2005, in der die Behörde gezwungen war, den Begriff der „Spitzen-zeiten“ für die Mitbenutzung der Ersatzbahn anders zu definieren (1965 beim Abschluss des Angerlandvergleichs waren dies einige Stunden im Monat!). So entstand die scheinbar völlig unsinnige Regelung, dass nur in der Hälfte der Wochenstunden beide Bahnen benutzt werden dürfen. Genau dieses Abwägungs-Ergebnis will nun der Flughafen zu seinen Gunsten ändern. Dazu sollen im April-Juni „Guthaben“ angespart werden können, so dass ab Juli beide Bahnen noch weit häufiger als 50% genutzt werden können. Dies widerspricht dem Angerlandvergleich.

Was aber ist so verwerflich daran, dass der Flughafen aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen seiner privaten Eigner heraus versucht, für sich selbst das Maximale herauszuholen? Nun, erst einmal gar nichts. Problematisch wird es aber, wenn das zur Neutralität und dem Allgemeinwohl des Landes NRW verpflichtete Verkehrsministerium zulässt, dass andere NRW-Flughäfen (noch schneller) pleite gehen. Dies wäre auch sehr kurzsichtig, da spätestens bei der nächsten Antrags-runde in DUS die berühmte Fahnenstange erreicht ist und man die anderen Flughäfen gut ge-brauchen könnte, die man aber durch die dauernde Bevorzugung von DUS gerade zerstört hat.

Noch problematischer wird es, wenn dieses zur Neutralität verpflichtete Verkehrsministerium sich munter an den geheimen Ausbauplänen beteiligt. In den Akten der Behörde fand sich eine „Machbarkeitsstudie“ der Deutschen Flugsicherung, in der viele Maßnahmen aufgelistet sind, die entweder schon durchgeführt wurden, aber eine Öffentlichkeitsbeteiligung und Genehmigung erfordert hätten, oder mit dem jetzigen Planfeststellungsantrag durch die Hintertür erreicht werden sollen. Einige Beispiele aus der „DFS-Machbarkeitsstudie“ seien hier aufgeführt (sie kann hier heruntergeladen werden:  DFS-Machbarkeitsstudie):

  • Bau von sog. „Bypässen“, um die Startreihenfolgen tauschen zu können (bei gleicher Abflugroute liegt die stündliche Startkapazität gerade einmal bei 28 Starts, derzeit werden bis zu 36 geplant)
  • Bau von sog. „Schnellabrollwegen“, um die Belegungszeit der Landebahn verkürzen zu können
  • Überlegungen, die Ersatzbahn dauerhaft für Starts (statt derzeit v.a. Landungen) zu nutzen, was völlig veränderte Lärmbetroffenheiten z.B. in Kaiserswerth, Meererbusch und Lintorf auslöst.
  • Verkürzung der Mindeststaffelung im Anflug von derzeit 3 auf 2,5 Nautischen Meilen, um die Lande-Kapazitäten von derzeit 33 Landungen pro Stunde erhöhen zu können. (hier wird exem-plarisch deutlich, dass die Genehmigung von 2005 zu viele planbare Landungen 22-23 Uhr erlaubt. Die 33 könnten theoretisch so gerade eben abgewickelt werden, nicht aber, wenn Verspätungen aus Vorstunden dazu kommen. In 2019 waren es im Durchschnitt 44 Landungen nach 22 Uhr, davon viele nach 23 Uhr, weil die Landekapazitäten schon heute nicht ausreichten. Auszüge aus einer Präsentation (die vollständige Präsentation kann hier heruntergeladen werden: Stellungnahme zur Machbarkeitsstudier der DFS, Studie der DFS und Analyse) zeigen:

Was ist denn nun das Bedenkliche, „Studien“ sind doch erlaubt?

Die Studie wurde 2011 erstellt und beschreibt, wie die Genehmigung von 2005 ausgehebelt werden soll. Die Genehmigungsbehörde unterstützt die angerlandvergleichswidrige Absicht des Flughafens durch „Antragsberatung“, „Abstimmungsgespräche“ und Vertuschung der wahren Absichten des Flughafens: die vom Flughafen-Koordinator aus sicherlich guten Gründen festgelegten „Untereckwerte“ sollen weg, die Begrenzung der FB in den sechs verkehrsreichsten Monaten soll weg, und die für weitere Erhöhungen zwingend notwendige „Flexibilisierung“ soll durch die Hintertür einge-führt werden. Und wofür? Wer profitiert? Nur die privaten Eigner. Wem schadet es? Den Anwohnern, den anderen NRW-Flughäfen, NRW insgesamt. Und dem Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden und in die Politik, die früher einmal sagte: „bei 71.000 ist der Deckel drauf.“ Schön wär´s.