Anlässlich des Tages gegen Lärm am 24.04.2019

Impressionen zum Thema Lärm

Lärm besteht nicht nur aus Zahlen, Daten und Fakten – Lärm ist auch hoch emotional. Daher wollen wir uns dem Thema an dieser Stelle etwas anders nähern.

Einige Impressionen:

Lob der Stille

Ich liebe diese stillen Tage im Januar. Tage, an denen das Bewusstsein ganz vereinzelt ein Flugzeug hoch oben in der Ferne wahrnimmt. Ein Flugzeuggeräusch, das angenehm erscheint, wie eine kleine Wolke, die als Geräusch vorüberzieht und der großen weiten Stille so gar nichts anhaben kann.

So ganz anders als die lauten Tage, an denen das Ohr, der Kopf, der ganze Körper nicht weiß, wie er Ruhe finden soll zwischen all den erdrückenden Motorengeräuschen über ihm, um ihn, geradezu in ihm drin. Diese Tage machen klein.

Viel lieber schreibe ich aber über das Große. Und darum über die Stille. Die den Körper, die Sinne, das Bewusstsein wachsen lässt. Die stärkt und groß werden lässt, die den Körper und das ganze Bewusstsein umhüllt wie ein sanftes Tuch und dabei Weite zum Wachsen schenkt. Diese Tage liebe ich. Noch bevor der Wecker um 6.30 Uhr klingelt, fühlt mein Bewusstsein Dankbarkeit für die Stille der Nacht. Das Geräusch des Weckers holt mich aus dem Schlaf zurück, bringt mich in den Tag, nichts anderes. Ich stehe am Waschbecken und höre die Vögel oder eben einfach NICHTS. Wie sehr liebe ich das, liebt dies mein ganzes Sein. Sich im Haus bewegen bei weit geöffneten Fenstern und nichts hören außer Stille. Mal ein Auto, mal eine aufgeregte Amsel, mal Stimmen oder einfach Wind in den Bäumen. Wie wunderschön. Alle Geräusche kommen und ziehen vorbei, dahinter wartet stets wieder die große Stille.

Das Gegenteil zu den Tagen, an denen das Ohr sehnsuchtsvoll nach Minutenlücken der Stille zwischen den Flugzeugen sucht. An denen es weder im Haus geschweige denn draußen oder gar im Wald Ruhe findet, die es doch so sehr braucht und sucht.

Ich liebe den Ort an dem ich lebe, liebe die Natur, liebe die Menschen. Und erlebe doch immer öfter Tage an denen ich flüchten möchte und keinen anderen Ausweg sehe, gesund und glücklich zu bleiben, als fortzuziehen aus diesem Gebiet. Ich fühle Verantwortung für meinen Körper, mein sich ausdehnen wollendes Bewusstsein, die Natur um mich herum, die Pflanzen, die Tiere, meine Kinder, die nicht bei geöffnetem Fenster schlafen können, weil der Krach sie am Ein- und Durchschlafen hindern und jeden Morgen zu früh aus dem Schlaf wecken würde.

Ich danke von Herzen diesen stillen Tagen im Januar, die mich an die gute alte Ruhe erinnern und mir Kraft und Hoffnung schenken, dass dies ein liebens- und lebenswerter Ort sei.

A.R.
(vollständiger Name der Redaktion bekannt)

Die Autorin ist nur bei Westwind (Betriebsrichtung 23) von landenden Flugzeugen betroffen, bei Ostwind (Betriebsrichtung 05) ist sie nicht betroffen.

Landung (Collage von Laszlo Lebrun nach ‚Der Schrei‘ von E. Munch auf Gemälde von David Palmer)

Das Bild „Der Schrei“ des norwegischen Malers Edvard Munch zeigt eine menschliche Figur unter einem roten Himmel, die ihre Hände gegen den Kopf presst, während sie Mund und Augen angstvoll aufreißt. Munch verarbeitete in dem Motiv eine eigene Angstattacke während eines abendlichen Spaziergangs, bei der er einen Schrei zu vernehmen meinte. Für die betroffenen Anwohner ist es nicht der Schrei, sondern der Lärm der Flugzeuge, der zunehmend Angst bereitet. Das Bild zeigt den Zustand in der Zeit von 22 bis 23 Uhr, in der nach der Genehmigung des Verkehrsministeriums 33 Flugzeuge landen dürfen. Der dem Verkehrsminister Wüst vorliegende Antrag des Flughafens Düsseldorf zur Erweiterung sieht vor, dass auch zur Tageszeit mehrere Stunden alle 2 Minuten Flugzeuge über Werden und Kettwig fliegen sollen. Gegen dieses Vorhaben hat sich die Bürgerinitiative Bürger gegen den Fluglärm mit 41.000 Einwendungen gewandt. Jugendliche wenden sich an die Öffentlichkeit, weil der Klimawandel nicht ausreichend von der Politik berücksichtigt wird. Flugzeuge sind erhebliche CO2 Verursacher, zumal die Folgen und die Wirkung in 10.000 m Höhe wesentlich schlimmer als auf der Erde einzustufen sind.

E.K.
(vollständiger Name der Redaktion bekannt)

Kettwiger Mondscheinsonate (Video von Laszlo Lebrun)

Meerbuscher Morgenstimmung (Video von Laszlo Lebrun)

Tiefes Zuhören

Ich lebe in Essen, einer Stadt, die in der Einflugschneise des Düsseldorfer Flughafens liegt. Hier kennt man den Geräuschpegel der Flugzeuge, die nicht mehr nur weit oben am Himmel zu sehen sind, sondern eine Nähe erreicht haben, die sie laut sein lässt. Laut, was bedeutet das? Viele Essener sagen, sie hören die Flugzeuge gar nicht mehr. Das Gehirn hat sie schon so sehr als alltägliches Geräusch abgespeichert, dass sie kaum noch bewusst wahrgenommen werden. Vielleicht fallen sie zu Beginn der Sommerferien noch bewusst auf, wenn man einen lauen Abend mit Freunden im Garten verbringt und in minütigen Abständen seine Stimme während der Unterhaltung erheben muss, um vom Gesprächspartner gehört zu werden. Dann richtet man vielleicht noch einmal einen kritischen Blick zum Himmel und stellt gemeinsam fest, dass es heute Abend ja laut sei.

Jetzt ist es anders.

Der Coronavirus hat bewirkt, dass die Menschen zu Hause bleiben. Geschäfts-, Urlaubs- und Wochenendreisen fallen aus, der Flugverkehr ist fast vollständig eingestellt. Der Himmel über mir ist still.

Ist er das wirklich? Nein, ich höre das Summen der Insekten über mir im Kirschbaum. Und zum ersten Mal nehme ich wahr, dass es nicht nur EIN Summen ist – es ist eine Symphonie des Summens, Brummens, Sirrens. Jedes kleine Insekt hat seinen ureigenen Ton. Und damit nehme ich wahr, dass in dem Kirschbaum nicht einfach nur Bienen und Hummeln fliegen. Nein, es sind viele verschiedene Bienen und Hummeln, unterschiedlich in ihrer Größe, in ihrer Farbe, in ihrer Art zu fliegen und daher auch so unterschiedlich in ihrem Ton. Wie neugierig bin ich darauf nachzuforschen wie viele Bienen- und Hummelarten es eigentlich gibt! Lange lausche ich diesem Konzert der Insekten. Durch nichts wird meine Aufmerksamkeit gestört, durch keinen Lärm mein Hinhören unterbrochen. Ich tauche immer tiefer ein in die Musik der Natur.

Ein Klopfen ertönt. Mein Blick folgt dem Ton und ich sehe eine Blaumeise, die den Eingang des im letzten Herbst aufgehängten Nistkastens mit ihrem Schnabel bearbeitet. Die ersten Bewohner! Wie freue ich mich! Das Klopfen eines Spechtes habe ich schon öfter im Wald vernommen. Dass eine kleine Blaumeise jedoch so emsig und kraftvoll mit ihrem Schnabel arbeitet, habe ich noch nie beobachtet und vor allem GEHÖRT. Ich bin fasziniert und beobachte das sich immer wiederholende Hineinfliegen, den Kopf hinausstrecken, Ausbessern des Nistloches mit seinem rhythmischen Klopfen und schließlich Davonfliegen.

Tiefe Dankbarkeit erfüllt mich für diese Ruhe, die Stille des Himmels ohne Flugzeuge, die Öffnung meiner Sinne, die Ausdehnung meines Bewusstseins. Eine neue Welt eröffnet sich mir. Ich erkenne die Natur in ihrer ganzen Fülle. Ich nehme so viele Facetten um mich herum wahr, ich höre, ich sehe, ich fühle neu. Ich tauche tief ein in den Moment. Es gibt keine Ablenkung mehr. Meine Sinne erwachen neu, erweitern sich in dem Raum, der ihnen geschenkt wird, erfüllen mein Erleben dieser Wahrnehmung auf völlig neue Art und Weise. Und darin erkenne ich mich in meiner ganzen Fülle.

A.R.
(vollständiger Name der Redaktion bekannt)