Interview mit Christoph Lange

Alle haben es einfach satt!

Zur Verspätungssituation und zum Erweiterungsantrag des Düsseldorfer Flughafens (der Extra-Tipp berichtete) äußert sich Christoph Lange, Vorsitzender des in Meerbusch beheimateten Vereins „Bürger gegen Fluglärm“ (BgF), im Interview.

Herr Lange, wie liefen die Sommerferien am Flughafen Düsseldorf aus Ihrer Sicht?

Lange: Besser als im letzten Jahr, aber da war es ja auch so katastrophal, dass eine Besserung dringend erforderlich war. Gleichwohl gab es bei rund 25 Prozent weniger Flügen als 2018, vor Corona, noch mehr Verspätungen in die Nacht hinein als damals. Dies ist ein Alarmsignal, da sich jeder selbst ausmalen kann, was bei 100 Prozent und erst recht bei einer erneuten Erhöhung um bis zu 30 Prozent in Spitzenstunden passieren wird.

Der Düsseldorfer OB Keller sprach von Verbesserungen?

Ja, weil er mit den Horror-Sommern 2019 und 2022 vergleicht. Es ist so einfach: Man verdoppele die monatlichen Spätlandungen von 150 auf 300, um dann eine Reduzierung auf 250 abzufeiern. Dieses Spiel spielen wir seit Jahrzehnten, es wird
immer schlimmer.

Dann müssten Sie doch für die vom Flughafen beantragte Flexibilisierung sein?

Zunächst einmal ist diese beantragte Flexibilisierung angerlandvergleichswidrig, bedarf also der Zustimmung der Anrainer. Das, was damals noch wenige Stunden im Monat als „Spitzenzeit“ galt, würde mit der beantragten Flexibilisierung auf weit mehr als 50 Prozent der Tagesstunden ausgedehnt. Hinzu kommt, dass damit nur die Verspätungen reduziert werden können, die an fehlenden Bahn-Kapazitäten liegen. Sind aber die Jets noch irgendwo unterwegs, zum Beispiel weil zu eng geplant wurde, dann nutzen auch sechs Landebahnen wie in Istanbul nichts.

Was also soll Verkehrsminister Oliver Krischer jetzt machen?

Bezüglich der Flexibilisierung muss das, wenn überhaupt, so gemacht werden, dass es nicht weiteren Kapazitätssteigerungen dient und wirklich zum Verspätungs abbau beiträgt. Das ist ganz einfach: Genutzt werden dürfen mindesten 30 Minuten Guthaben nur von Montag bis Sonntag, und auch nur von 8 bis 18 Uhr, weil andernfalls in den Randstunden die Einbahn-Stunden doch wieder aufgefüllt werden. Und: Das Ganze muss flankiert werden mit strafferen Nachtflugregeln. Warum auch soll nicht jeder,der nach 22 Uhr starten oder nach 23 Uhr landen will, die Luftaufsicht fragen müssen? Wer da etwas dagegen hat, der möchte doch die jetzigen, viel zu laxen Regeln missbrauchen, so wie das hundertfach geschieht.

Und die ganzen anderen Antragspunkte? Der Flughafen hat doch einen Änderungsantrag angekündigt?

Den kann man nur als Mogelpackung bezeichnen. Es ist zu prüfen, ob es wirklich eine so gravierende Änderung des aus 2015 stammenden Antrags ist, wenn ein einziger Punkt – der im Antrag versteckt formulierte Entfall der Obergrenze von 131 000 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten – gestrichen werden soll, aber alle anderen Antragsbestandteile wie die
Erhöhung der Stundeneckwerte um 30 Prozent, der meines Erachtens wegen der Hochwassergefahr in Kaiserswerth nicht genehmigungsfähige Ausbau und die Flexibilisierung bestehen bleiben sollen? Es sieht sehr danach aus, als wolle der Flughafen die drohende Verschärfung der Nachtflugregeln, die laut unserem Anwalt aber auch unabhängig von einem Planfeststellungsbeschluss möglich und geboten ist, verhindern und auf Zeit spielen.

Was erwarten Sie also von der Landesregierung?

Sie sollte prüfen, ob der in jahrelanger, von Steuergeldern finanzierter Arbeit erstellte, fast fertige Planfeststellungsbeschluss mit
den Verschärfungen nicht trotz des angeblichen „Änderungsantrags“ erlassen werden kann. Die Nachtflugregeln müssen so oder
so verschärft werden, wenn man der Verzögerungstaktik des Flughafens nicht auf den Leim gehen will. Das Geschrei wird wie in Frankfurt riesengroß sein, und kurze Zeit später haben sich alle damit arrangiert. Wenn es einen nachvollziehbaren Grund für die Verspätung gibt, ändert sich ja nichts, es werden nur die ganzen missbräuchlichen Nutzungen der zurzeit noch viel zu laxen Regeln unterbunden.

Und die Expansionspläne des Flughafens?

Ein „Mehr“ pro Stunde braucht der Flughafen nicht. Wer sollte es füllen? Natürlich wollen gerade die immer mehr die Oberhand gewinnenden Ferienflieger alle morgens um 6 Uhr starten und abends um 23 Uhr landen. Aber mehr als 36 Starts und 33 Landungen pro Stunde verkraftet der Luftraum laut Flugsicherung sowieso nicht, und das Minus im Mai 2023 lag bei rund 12 Prozent gegegnüber Mai 2019, vor allem wegen der fehlenden Geschäftsreisenden und der endlich reduzierten Kurzstreckenflüge. Und Fliegen wirdimmer teurer, das dämpft die Nachfrage. Käme endlich eine überfällige Kerosinsteuer, würde es noch weniger. Der Flughafen „verzichtet“ also mit dem Entfall der Obergrenze von 131 000 Flugbewegungen auf etwas, was er eh nicht braucht und auch nie hätte bekommen dürfen. Zudem macht es wenig Sinn, andere NRW-Flughäfen, die man jetzt und vor allem später braucht, kaputtzumachen, nur um dem kanadischen Militärpensions-Fonds, der 50 Prozent der Anteile hält, einen Gefallen zu tun. Die haben jahrelang gut verdient und sich dann geweigert, Gewinne in der Coronakrise zurückzuzahlen. Gut, dass der Staat darauf bestanden hat. Insgesamt haben sich alle Annahmen von 2005 als gigantische Luftblase erwiesen.

Und was ist mit dem Klima?

Wir haben immer gefordert, dass eine Klimaverträglichkeitsprüfung notwendig ist. Das versucht der Flughafen jetzt zu umgehen, weil es ja insgesamt nicht mehr werden soll, nur anders verteilt. Das trifft die Anwohner in den Randstunden und in der Nacht. Fliegen ist mit weitem Abstand die klimaschädlichste Fortbewegung, manchmal unvermeidlich, aber warum noch mehr als 60 Prozent des NRW-Luftverkehrs hier an diesem stadtnahen Flughafen konzentriert werden sollen, das mag erklären, wer es vermag.

Erhöhen sich nicht auch die Risiken für die Anwohner?

Dass man bei einem Sprung von 45 auf 60 Starts und Landungen pro Stunde kein Risikogutachten braucht, das versteht keiner. 2005 ging es von 40 auf 45 Flugbewegungen pro Stunde, und es gab dieses Gutachten. Da steht drin, dass das damals alles nur mit „einer erhöhten Überwachungsleistung von Lotsen und Piloten“ möglich sei. Was man jetzt mit 60 Flugbewegungen pro Stunde will, verstehe ich nicht. Da, wo man sie brauchen könnte, morgens zwischen 6 und 8 Uhr, da verkraftet der Luftraum das nicht. Abends kommt das auch nicht in Frage, auch wegen der sich aufschaukelnden Verspätungen in die Nacht hinein. Also fällt der gesamte Planfeststellungsantrag wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Minister Krischer sollte schnell handeln und Schaden von den Anwohnern, aber auch den Kommunen abwenden. Alle haben es satt, dass der Nimmersatt-Flughafen machen darf, was er will!

Veröffentlich im Extra-Tipp am Sonntag Meerbusch: https://wi-paper.de/show/3973a4402b9f/epaper, Seite 3 (technisch Seite 5)